Seelenhändler (Nürnberg)

Seelenhändler (Nürnberg)
„Fake News in der Reformation“


Als neue Gastbeitragsautorin begrüßen wir heute Traumtänzerin Michi. Ihren Premierenbeitrag verfasst sie auch über eine Premiere: Seelenhändler in Nürnberg.

Viel Spaß! 🙂


Inhalt

„Seelenhändler“ erzählt die Geschichte einer Drucker-Familie im (noch) katholischen Nürnberg zur Zeit der Reformation. Die katholische Kirche hat fest das Zepter in der Hand und die Bürger Nürnbergs leben als friedliche und christliche Bürger. Darunter auch die Familie Bentlin. Die beiden Brüder Ewald Bentlin und Veit Bentlin könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie haben ihre Mutter schon in frühester Kindheit verloren und wachsen bei ihrem Vater und dessen Magd auf. Ewald, dargestellt als „der Fesche“, kommt ganz nach seinem Vater und steckt all seine Energie in den Erhalt der Druckerei. Weiterhin hat er großen Gefallen an der gehandicapten Tochter der Magd Rosalie gefunden. Das stumme Mädchen hat seinen festen Platz in der Familie und hilft auch tatkräftig in der Druckerei mit. Der jüngere Bruder Veit, „der mit dem feschen Lächeln“, dagegen ist ein Freigeist und immer auf der Suche nach seiner Selbstverwirklichung. Zuerst in der Malkunst und später dann im Druck der 99 Thesen von Martin Luther. Allerdings hat auch er einen Narren an Rosalie gefressen, traut sich aber nicht dies zu zeigen. Die Reformation macht auch vor Nürnberg nicht halt und beschert den Bürgern der Stadt einige Konflikte, bei denen die katholische Kirche auch immer wieder ihre Finger im Spiel hat.


Kritik

Das Stück „Seelenhändler“ wird vom gemeinnützigen Verein „Musical Netzwerk Nürnberg“ im Heilig-Geist-Saal, direkt am Christkindlesmarkt auf die Bühne gebracht. Schon zu Beginn war klar, dass das Ensemble aus einer Mischung von Laien- und ausgebildeten Musicaldarstellern bestehen wird. Was das gesamte, teilweise auch ehrenamtliche, Team dort zu Stande gebracht hat, ist wirklich eine Leistung. Der Saal ist eigentlich überhaupt nicht für eine solche Aufführung geeignet und deswegen geht mein erstes Lob direkt an die Technik und die Ausstattung. Die Akustik war absolut solide und gut abgemischt.

Stephan Luethy spielt den Veit als lebensfrohen und sehr energiereichen jungen Mann. Stimmlich liefert er eine gute Performance ab und auch in den wenigen Tanzszenen kann er glänzen.

Den Bruder Ewald spielt Florian Hinxlage sichtbar mit viel Herz und Hingabe. Er bekommt gerade im zweiten Akt einige Solomomente, die er gut umsetzen kann und zieht das Publikum mit seiner Stimme in den Bann. Weiterhin macht es sehr viel Spaß seine Interaktionen mit dem restlichen Ensemble zu beobachten.

Die Doppelrolle des Vaters, Willhelm, und des Pfarrers, Johann, übernimmt Christoph Ackermann. Der gebürtige Nürnberger ist schon seit einigen Produktionen im Nürnberger Musical-Netzwerk tätig und steht nun wieder in einer Hauptrolle auf der Bühne. Auch in der letzten Produktion „Der Kaiser und die Gauklerin“ hatte er bereits eine kirchliche Rolle intus und versteht sich darauf, die katholische Ordnung stark überspitzt darzustellen. Die gesanglichen Passagen gibt er souverän zum Besten, wobei seine Stimmfarbe der Rolle eine persönliche Note verleiht.

Cassandra Schütt spielt die Rolle der stummen Rosalie. Innerhalb des ersten Aktes hört man sie kaum singen, sieht sie dafür aber bravourös schauspielern. Man nimmt ihr sämtliche Gefühle ab und kann diese sehr gut aus der Körpersprache herauslesen. Auch die wenigen Gebärden sind gut verständlich und wirken ganz alltäglich. Wenn man dann endlich in den Genuss kommt sie singen zu hören, gibt es daran keinerlei Kritik auszusetzen. Am Ende ist es fast ein bisschen schade, dass die Rolle der Rosalie relativ wenig Gesangspassagen innehat.

Die Magd wird von Sibylle Mantau mit viel Gefühl und innerer Zerrissenheit gespielt. Einerseits ist ihr der Erhalt der Druckerei sehr wichtig, aber auf der anderen Seite merkt man ihr auch das volle Mitgefühl für Rosalie und Ewald an. Im zweiten Akt erfährt man einiges über ihre eigene Vergangenheit.

Alle drei Kinderrollen (Nikita Semerik als junger Ewald, Kai Chan als junger Veit, und Anna Chan als junge Rosalie) sind sowohl schauspielerisch, als auch gesanglich wunderbar besetzt. Die Kinder harmonieren miteinander sehr gut und interagieren auch mit dem restlichen Ensemble souverän.

Als letztes sind noch die drei „Waschweiber“ der Nürnberger Bevölkerung zu erwähnen, welche von Clarissa Hopfensitz als Gertraud, Madlen Holzschuh als Mechthild, und Hanna Wendel als Elsbeth gespielt werden. Die drei Frauen bringen immer wieder Dynamik in das Stück. Sei es mit schwungvollen Liedern, spitzen Kommentaren oder auch ganz einfach mit dem typischen Nürnberger Dialekt.

Auch das restliche Ensemble leistete saubere Arbeit und singt die Chorpassagen sauber und verständlich.

Das Bühnenbild ist mit drei beweglichen Holzhäusern relativ spartanisch, aber komplett ausreichend. Diese sind auf der einen Seite mit weißen Tüchern bespannt und werden immer passend von einem Beamer mit verschiedenen Bildern angestrahlt.

Die, von Andreas Rüsing, komponierte Musik wird vom Band eingespielt, was dem Klang keinen Abbruch getan hat. Manche Besucher haben es vermutlich erst gemerkt, als keine Orchestermitglieder beim Schlussapplaus auf die Bühne kamen. und ist vom Klang her deutlich in die moderne Richtung einzuordnen. Es gibt klangvolle Ensemble-Nummern, aber auch einige typische Pop-Balladen. Hierbei brennt sich eine Textpassage aus dem Lied „Irgendwann“ besonders ein, da über das ganze Stück verteilt Teile aus diesem Song wiederholt werden. An manchen Stellen erinnert dies ein wenig an eine Arie aus einer Oper.


Fazit

„Seelenhändler“ ist für einen Familienbesuch in der Vorweihnachtszeit sehr gut geeignet. Allerdings sollte man teilweise dem fränkischen Dialekt kundig sein, um auch alle Textpassagen verstehen zu können.


In zwei Worten:

Kirche (in) Nürnberg


Eure Traumtänzerin Michi


Kreativteam:

Regie – Ulrich Spies

Text & Libretto – Joachim Quirin

Musikalische Leitung & Komponist – Andreas Rüsing

Choreographie – Marc Bollmeyer

Bühnen- und Kostümbild – Jens Hübner, Christiana von Roit


Vorstellung:

Besucht am: 01.Dezember 2018 (Premiere)

Theater: „Sternenhaus“ Nürnberg im Heilig-Geist-Saal


Besetzung:

VEIT – Stephan Luethy

EWALD – Florian Hinxlage

WILLHELM & PFARRER JOHANN – Christoph Ackermann

ROSALIE – Cassandra Schütt

GUNDA – Sibylle Mantau

KLEINER EWALD – Nikita Semerik

KLEINER VEIT – Kai Chan

KLEINE ROSALIE – Anna Chan

GERTRAUD – Clarissa Hopfensitz

MECHTHILD – Madlen Holzschuh

ELSBETH – Hanna Wendel

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